Wie lange sollte man Antibiotika einnehmen? Gibt es eine Faustregel?

Vielen Menschen ist folgende Regel geläufig: Ein Antibiotikum sollte stets bis zum Ende der Packung eingenommen werden. Auch wenn die Symptome bereits verschwunden sind. Doch diese Faustregel ist überholt. Untersuchungen der letzten Jahre liefern immer mehr Belege, dass bei vielen Infektionen eine kürzere Einnahmezeit genauso wirksam ist. Eine kürzere Therapie hat zudem einen weiteren Vorteil. Es entstehen weniger resistente Erreger. Dennoch sollten Patienten Antibiotika nicht in Eigenregie absetzen, sobald sie sich besser fühlen.

Vielmehr sollten die Medikamente individuell abgestimmt und in enger Absprache mit dem Arzt eingenommen werden. Das betrifft auch den Zeitpunkt des Absetzens. Eine Pauschalisierung kann für manche Patienten gefährlich sein. Dies geht aus einer Information der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie e.V. (DGI) hervor.

Eine kürzere Therapie ist oft genauso wirksam

In den vergangenen Jahren mehrten sich Erkenntnisse, dass bei verschiedenen Infektionen kürzere Antibiotikatherapien gleichwertig oder sogar überlegen sind. So erwies sich in einer Untersuchung zur ambulant erworbenen Lungenentzündung eine fünftägige Antibiotikatherapie ebenso wirksam wie eine zehntägige.

„Viele Jahre ist man davon ausgegangen, dass eine längere Antibiotikatherapie die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr der Infektion oder die Ausbildung von Resistenzen verringert“, so Professor Dr. med. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Universitätsklinik Köln und Vorsitzender der DGI. „Dahinter stand der Gedanke, möglichst alle krankmachenden Bakterien abzutöten. Heute wissen wir: Je länger die Bakterien dem Selektionsdruck eines antimikrobiellen Wirkstoffs ausgesetzt sind, desto wahrscheinlicher überleben überwiegend resistente, also gegen das Mittel unempfindliche Erreger.“ Eine kürzere Antibiotikatherapie hat nicht nur den Vorteil von weniger Resistenzentstehung. Sie geht auch mit weniger Nebenwirkungen einher.

Es gibt keinen Königsweg

„Dennoch bedeutet dies nicht, dass Patienten ein Antibiotikum eigenhändig absetzen sollten, sobald ihre Symptome verschwunden sind“, so Professor Dr. med. Winfried Kern, Vorstandsmitglied der DGI und Leiter der Infektiologie am Universitätsklinikum Freiburg. „Für solch eine einfache Faustregel ist die moderne Antibiotikatherapie zu komplex.“ Vielmehr gilt: Es hängt von der Art der Erkrankung, ihrer Schwere, dem individuellen Verlauf und dem jeweiligen Bakterientyp ab, wie lange ein Antibiotikum eingenommen werden muss. „Bei einer Harnwegsinfektion kann es mitunter ausreichen, das Medikament nur einen Tag lang einzunehmen. Im Falle einer schweren Infektion mit Staphylokokken dagegen müssen Betroffene Antibiotika oft mehrere Wochen lang zu sich nehmen. Hier beispielsweise könnte eine zu kurze Therapie zu Komplikationen und Resistenzbildung führen“, erklärt Gerd Fätkenheuer.

Einen Königsweg im Umgang mit Antibiotika gibt es nicht. In welchen Fällen ein Mittel abgesetzt werden kann, sobald die Symptome abgeklungen sind, und in welchen Fällen nicht, kann nur ein Arzt entscheiden. Die DGI rät deshalb betroffenen Patienten, das Medikament nicht eigenmächtig wegzulassen und zudem darauf zu achten, die Therapie nicht zu unterbrechen oder Dosen zu vergessen. „Ein Arzt gibt idealerweise eine Einnahmedauer vor, die gezielt auf die jeweilige Infektion und ihren zu erwartenden Verlauf abgestimmt ist“, so Fätkenheuer. Sind die Symptome frühzeitig ausgeheilt oder schlägt das Mittel nicht an, sollte der Patient den Arzt kontaktieren und mit ihm das weitere Vorgehen besprechen. „Wie bei jedem anderen Medikament gilt auch für Antibiotika: Die Einnahme sollte so kurz wie möglich, aber so lange wie nötig erfolgen.“

 

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Infektiologie e.V. (DGI)