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Neue Sparzwänge oder sinnvolle Ziele?

Glaubt man den Aussagen der Krankenkassen werden die Kosten im Gesundheitswesen in den kommenden Jahren unverhältnismäßig stark ansteigen. Dies kann man freilich hinterfragen. Zumal die Einnahmen der Krankenkassen zuletzt deutlich stärker gestiegen sind als deren Ausgaben. Ebenso wenig berücksichtigt diese Sichtweise die Tatsache, dass wir gleichermaßen auch von medizinischen Errungenschaften profitieren. Das Dilemma steckt in der ungeklärten Frage, was uns ein anhaltender medizinische Fortschritt Wert ist. Eine gesellschaftliche Debatte hierzu ist längst überfällig.

Ungeachtet der ausbleibenden Beantwortung dieser Frage besteht kein Zweifel an der Notwendigkeit, die bereits vorhanden Ressourcen wirtschaftlich einzusetzen. Im Besonderen geraten immer wieder die Verordnungskosten von Arzneimitteln in den Fokus. So gab es in den letzten Jahren verschiedene Modelle, diese Kosten zu begrenzen. Unter anderem werden Ärzte unter Androhung wirtschaftlicher Strafen zur Verordnung von preisgünstigen Arzneimitteln angehalten. Mittlerweile hat diese, durch die gesetzlichen Krankenkassen aufgebaute Drohkulisse derart überhand genommen, dass der einzelne Arzt immer häufiger in die Zwickmühle zwischen medizinischer Überzeugung und der Vermeidung teilweise existenzbedrohender Strafen gerät.

Mit der Einführung einer neuen Regelung zur rationalen Verordnung von Arzneimitteln ab dem kommenden Jahr möchte man diesem Umstadt zumindest teilweise entgegentreten. Ein Ansatz, den man zweifelsohne begrüßen kann. Im Detail wirft die geplante Einführung von Zielwerten allerdings Fragen auf.

Unzureichende Aktualität

Ein Medikationskatalog soll zukünftig klären, welche Arzneimittel bei einzelnen Erkrankungen als Mittel der Wahl eingestuft werden. Dabei berufen sich die Autoren des Medikationskataloges auf die Auswertung der Empfehlungen von Fachgesellschaften und medizinischer Leitlinien. Vorgesehen ist eine jährliche Aktualisierung des Kataloges. Unzureichende Aktualität könnte allerdings das größte Problem des Medikationskataloges werden. Eine Kritik, die aufgrund der meist jahrelang dauernden Kompromissfindung bis zur Veröffentlichung ebenso medizinischen Leitlinien vorgeworfen wird.

Bis zur Berücksichtigung der Leitlinienempfehlungen durch die Autoren des Medikationskataloges wird abermals Zeit verstreichen. Neue medizinische Erkenntnisse können sich somit erst verhältnismäßig spät im Katalog durchsetzen. Der Medikationskatalog, welcher als Handlungsanweisung verstanden werden soll, muss sich also mit dem Vorwurf auseinandersetzen, zumindest in Teilen nicht immer auf dem neuesten Stand zu sein. Der Konflikt zwischen medizinischem Fortschritt und wirtschaftlicher Verordnungsweise lässt sich so freilich nur schwer aus der Welt schaffen.

Zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den gesetzlichen Krankenkassen wurden nun Zielwerte festgelegt, die vorschreiben, in welchem Anteil jeder Arzt Medikamente aus dem Medikationskatalog verordnen soll. Andernfalls drohen wieder Überprüfungen und wirtschaftliche Konsequenzen.

Standardschema oder individuelle Therapie?

Unklar bleibt, auf welcher Grundlage diese Quoten festgelegt wurden. Ist die Mehrzahl der Patienten wirklich mit einer nicht immer ganz aktuellen Standardtherapie gut behandelt? Sind es tatsächlich nur wenige Patienten, die eine abweichende, individuelle Therapieentscheidung benötigen? Bei einigen Erkrankungen erscheinen die festgelegten Zielwerte allein aufgrund der eigenen Erfahrung schon als äußerst unrealistisch.

Hinzu kommt, dass die Zielvorgaben für Hausärzte zum Teil erheblich strenger formuliert wurden als für Fachärzte. Wenn man schon davon überzeugt ist, dass man eine standardisierte, rationale Therapieempfehlung für die verschiedenen Erkrankungen geben kann, sollte der Anspruch dann nicht in allen Fachrichtungen gleich sein?

Das Ziel, sinnvolle Therapieempfehlungen festzulegen, kann man selbstverständlich begrüßen. Die Umsetzung wirft allerdings die Frage auf, ob die Vertragspartner nicht in erster Linie Einsparungen bei den Medikamentenkosten im Sinn hatten.

So werden wohl auch zukünftig Ärzte bei der Verordnung von Medikamenten immer wieder in Gewissenskonflikte geraten. Ein Umstand, den man eigentlich beseitigen wollte.