HIV im Jahr 2022 – Was gibt es Neues?
Auch im Jahr 2022 stieg die Zahl der Patientinnen und Patienten in unserer Praxis weiterhin an. Erfreulicherweise beobachten wir aber in letzter Zeit einen Rückgang der Neuinfektionen mit HIV.
Dies verdanken wir den guten Therapiemöglichkeiten in unserem Land. So können HIV-Positive unter einer effektiven Behandlung das Virus nicht mehr übertragen. Nach Schätzungen des RKI sind etwa 84% aller Betroffenen in Deutschland erfolgreich behandelt.
Zusätzlich können sich Menschen mit einem hohen Risiko neben der Nutzung von Kondomen auch mit einer medikamentösen Prophylaxe vor einer HIV-Infektion schützen. Die Nachfrage nach einer HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) ist derart hoch, dass viele Praxen bereits an ihre Kapazitätsgrenze kommen. Allein in unserer Praxis betreuen wir inzwischen mehr PrEP-Nutzer als HIV-Infizierte. Dabei ist die PrEP für alle Beteiligten mit einem gewissen Aufwand verbunden. Um so erfreulicher ist es, dass so viele bereit sind, sich selbst und ihre Mitmenschen zu schützen.
Vielfältige Therapieoptionen
Auch die Behandlungsmöglichkeiten verbessern sich ständig. Ganz so rasant wie vor 20 Jahren geht die Entdeckung neuer Substanzen mittlerweile nicht mehr voran. Letztlich stehen uns aber mehrere gut verträgliche und wirkungsvolle Medikamente zur Verfügung. Das Potential für Neuentwicklungen erscheint angesichts der vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten fast ausgeschöpft. Dennoch werden wir auch zukünftig neue Medikamente erhalten. Neuerungen sehen wir unter anderem bei alternativen Darreichungsformen. Während früher immer mindestens drei Wirkstoffe kombiniert werden mussten, können wir heutzutage auch Behandlungen mit dualen Kombinationen sicher durchführen. Zudem wurden langwirksame Depotpräparate entwickelt, die alle acht Wochen in den Muskel gespritzt werden können. Davon profitieren besonders Patientinnen und Patienten, die keine Tabletten einnehmen können.
Die aktuellen Therapieoptionen sind also durchaus vielfältig. Die beste Behandlung für die meisten Betroffenen ist aber die tägliche Einnahme einer Tablette.
Leider ist es mit den aktuellen Medikamenten weiterhin nicht möglich, die HIV-Infektion zu heilen. Auch wenn die Forschung auf dem Weg zur Heilung immer neue Fortschritte erzielt, liegt ein großer Teil dieses Weges noch vor uns. Ebenso schwierig gestaltet sich die Entwicklung eines HIV-Impfstoffes. Trotz etlicher Rückschläge sehen wir aber auch vielversprechende Ergebnisse.
HIV rechtzeitig entdecken
Insgesamt hat sich aber schon sehr viel getan. Menschen mit einer gut behandelten HIV-Infektion haben im Prinzip die gleiche Lebenserwartung wie ohne Infektion. Die größte Herausforderung besteht darin, die HIV-Infektion rechtzeitig zu entdecken. Unser Ziel ist eine möglichst frühzeitige Behandlung, noch bevor es zu einer Schädigung des Immunsystems durch die Infektion kommt. Leider gelingt uns das nicht ausreichend gut. Etwa ein Drittel aller Infizierten zeigt zum Zeitpunkt der Diagnosenstellung bereits eine deutliche Beeinträchtigung des Immunsystems. Mit zunehmender Immunschwäche steigt dann auch das Risiko für schwerwiegende Komplikationen. Ohne eine Behandlung ist die HIV-Infektion auch heutzutage mit einer stark verkürzten Lebenserwartung verbunden.
Deshalb sind niedrigschwellige Testangebote so wichtig. Die Aidshilfen und Gesundheitsämter leisten hier hervorragende Arbeit. Nicht zuletzt liegt es aber auch in unserer ärztlichen Verantwortung, an den HIV-Test zu denken und Diagnosen rechtzeitig zu stellen. Gemeinsam kann es gelingen, AIDS zu verhindern und die Zahl an neuen Infektionen weiter zu senken.